„Udo Rukser und seine Welt"

Hans Richter, Collage, 30 x 37 cm, undatiert und unsigniert.

Die Collage stammt aus der letzten Schaffensphase von Hans Richter. Sie dokumentiert Leben und Werk von Udo Rukser im Exil. Die aus den „Deutschen Blättern“ ausgeschnittenen Bildelemente, die in Versalien gesetzten Namen Goethe, Nietzsche und Ortega zitieren publizistische und wissenschaftliche Leistungen des 1944 ausgebürgerten Emigranten. In der oberen Bildmitte befindet sich das Porträt des jungen Juristen, gemalt 1914 von Hans Richter. Das Foto in der rechten oberen Ecke zeigt Udo und Dora Rukser bei der Redaktionsarbeit. Die Fotos in der Mitte wurden von Nils Billo Ende Juli oder Anfang August 1967 – zwei oder drei Wochen vor dem 75. Geburtstag von Udo Rukser – auf Las Gracias aufgenommen. Das Foto am unteren Rand könnte Rukser noch während der Zeit auf dem Oberbühlhof zeigen. Am oberen Rand links verweist das Foto auf ein „Richter Rothschild-Geschwister“-Treffen 1958 in Orta (Italien), an dem auch Hans Richter (ganz links), Dora – eine jüngere Schwester von Hans Richter – und Udo Rukser (in der Mitte) teilgenommen haben. Das Porträt „Dr. Rukser“ weist zurück in das Schicksalsjahr 1914. Das Briefzitat vom 4. September 1970 setzt unten links den Schlusspunkt: Mit Briefkopf „Dr. U. Rukser“ dankt dieser Friedl und Hans Richter für die Glückwünsche zu seinem 79. Geburtstag. Den 80. Geburtstag hat Udo Rukser nicht mehr erlebt: Am 6. Juni 1971 ist er in Quillota gestorben.

Die Bildkomposition lässt kaum Zweifel daran, dass die Collage im Hinblick auf den 80. Geburtstag Udo Ruksers entstanden sein dürfte. Hans Richter verfügte 1970/71 in Kalifornien über alle im Bild verarbeiteten Informationen; für sein Rukser-Porträt konnte er auf dessen Schwarz-Weiß-Abbildung in Ruksers Beitrag zu seinem eigenen 80. Geburtstag in der Zeitschrift „Humboldt“ zurückgreifen. Möglicherweise war die Collage nicht nur als Geburtstagsgeschenk gedacht, hatte Hans Richter doch noch „mit Udo“ für 1972 eine Ausstellung in der deutschen Kulturgemeinschaft in Santiago de Chile geplant. Sofern das Blatt dort präsentiert wurde, dürfte es danach Hans Richter wieder zugestellt worden sein.

Im Frühjahr 1973 feierte in Hamburg ein Neffe von Udo Rukser seinen 50. Geburtstag: Dr. Dieter Rukser, der auch in USA studiert hatte, war Arzt und hatte Udo und Dora Rukser nach deren letzter Europareise 1964/65 in Quillota besucht, auch ärztlich betreut. Hans Richter dürfte gewusst haben, wie sehr Udo Rukser seinen Neffen geschätzt hat. Vielleicht hat er ihn auch selbst konsultiert. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Hans Richter das Bild Dr. Dieter Rukser 1973 hat zukommen lassen. Jedenfalls stellte Rita Rukser 1990 – ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes – Manfred Bosch drei Fotonegative der nun in ihrem Besitz befindlichen Collage zur Verfügung, aber ohne Angaben zur „Geschichte“ des Bildes. Manfred Bosch hat das Blatt mehrfach veröffentlicht, erstmals in der Zeitschrift „Hegau“ 1992/93 mit der Zeitangabe „ca. 1971“. Das Hermann-Hesse-Höri-Museum Gaienhofen übernahm das Blatt 1999 für die Einladungskarte zur Ausstellung „Udo Rukser und seine ‚Deutschen Blätter’“. Eine Kopie der Collage wird dort seit 2007 in der von Manfred Bosch maßgeblich gestalteten Dauerausstellung „Literaturlandschaft Höri“ gezeigt: Hans Richter: „Udo Rukser und seine Welt“ – mit dem Besitznachweis: Rita Rukser, Hamburg.

Der Verbleib der Collage nach dem Tod von Rita Rukser konnte nicht ermittelt werden. Bei der Bildrecherche wurden in Schweizer Privatbesitz eine Magnetkopie der Collage und eines der drei Manfred Bosch überlassenen Fotonegative gefunden. Die Abbildung entspricht der pdf-Datei der Magnetkopie und mag zur Wiederauffindung dieser sonst nur noch als Kopie erhaltenen Hommage an Udo und Dora Rukser beitragen.

Dank:

Manfred Bosch (Konstanz), Dr. Ralph Billo (Oberwil/Schweiz), Dr. Yvonne Istas (Leiterin des Hesse Museums Gaienhofen), Dr. Dieter Rukser († ) und Uwe Rukser (Hamburg).

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